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In das dornige Schweigen, das dieser Feststellung folgt, fällt der dunkle Viertelstundenschlag von Mariä Heimsuchung. Bonnnn. Auftaktgong zur Endrunde, denkt Adenauer. Ihm ist bewusst, dass er die Geduld seiner Zuhörer nicht bis aufs Äußerste strapazieren darf. Wieder nimmt er die fünf vor ihm Sitzenden fest ins Visier.

 

„Meine Herren! Ich habe vorhin gesagt, dass wir die Bundestagswahl im nächsten Jahr nicht unter allen Umständen gewinnen müssen. Ich hätte auch sagen können, dass wir die Bundestagswahl sehr wahrscheinlich verlieren werden. (Unruhe.) Meine Herren! Dadurch, dass man die Wahrheit nicht erkennen will, schafft man die Realität nicht aus der Welt. (Starke Unruhe.) Also, das Wahlergebnis steht mehr oder weniger fest, und wir tun gut daran, über den Horizont des Jahres 1969 hinaus zu blicken. Erler ist tot, Wehner ist krank. Wenn Wehner auch wegfällt, wird die SPD immer mehr nach links abrutschen. Der linke Flügel wird zur Macht kommen. Eine Regierung Brandt wird mit der SED, der Zone und der Sowjetunion zusammengehen.“

 

„Das müssen wir verhindern“, ruft Bitterling empört. „Das wäre der Untergang.“

 

Giebel rutscht schon eine ganze Weile unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Mir ist bekannt“, platzt es jetzt aus ihm heraus, „dass Brandt sich im Januar 1968 in Rom mit dem Chef der italienischen Kommunisten, Herrn Longo, getroffen hat, um über die Möglichkeit einer Anerkennung der DDR zu sprechen. Fast zwei Stunde saßen die beiden Herren zusammen.“

 

„Sie verfügen offenbar über geheime Erkenntnisquellen, Herr Giebel“, erwidert Adenauer und lächelt ironisch. Unzählige winzige Falten kerben sein Gesicht. „Nur zwei Stunden? Ein bisschen kurz für so ein ernstes Thema. Mindestens zwei Tage wären zu erwarten gewesen.“

 

Von Schley hat sich eine neue Zigarette angesteckt. Wie er so dasitzt und aus seinem Mund stoßartig ein trübes Wölkchen nach dem andern entlässt, erinnert er Adenauer an einen überreifen Bovist, dem man beim Waldspaziergang versehentlich auf den Fruchtkörper tritt.

 

Forell bittet per Handzeichen ums Wort und ergreift es dann doch, ohne eigens dazu aufgefordert worden zu sein. „Wir sollten überlegen“, verkündet er feierlich, „was zur Aufklärung der Menschen über Brandt geschehen kann.“

 

„Sein gesamter Werde- und Entwicklungsgang muss von den Diensten untersucht werden“, schlägt Groppe vor und streicht sich mit seiner schön geformten, langfingrigen Hand übers Haar. „Vielleicht gibt es da etwas Belastendes aus seiner Zeit im Ausland. Von den bekannten Frauengeschichten ganz zu schweigen.“

 

Adenauer stützt beide Hände auf und späht nach weiteren Wortmeldungen in die kuchengesättigte, heimlich koffeinbetrogene Runde. Um ihn herum zu seiner Genugtuung nur erschöpfte Mienen.

 

„Über Brandt wird noch manches gesagt werden müssen“, erklärt er ruhig. „Aber damit wollen wir uns hier die Zeit nicht töten.“ Wieder hat er das Fuchsgesicht aufgesetzt. „Politik ist ein Haus mit vielen Türen. Wenn manche davon mit Brettern vernagelt sind, steigt man eben durchs Fenster ein. Man muss nur aufpassen, dass man auf den Füßen landet.“

 

Die ermatteten Gäste schweigen. Keiner von ihnen hat mit einem solchen Auftritt gerechnet. Das rheinische Räderwerk aus endloser Erfahrung und politischer Phantasie ist also doch noch nicht zum Stillstand gekommen. Das ist der Alte, wie er leibt und lebt, die personifizierte Schlauheit und Verschlagenheit.

 

„Ich hatte kürzlich“, fährt Adenauer fort, „ein sehr gutes Gespräch mit einem hiesigen Professor der Politikwissenschaft. Professor Zander, Paul Zander. Ein jüngerer, aber ziemlich erfahrener Mann. Jedenfalls nicht unerfahren. Er hat mir folgendes klargemacht: Die Kunst ist nicht, den politischen Gegner auf dem schnellsten Weg auszuschalten. Das geht meistens schief. Beispielsweise, weil man die Stärke des andern unterschätzt oder seine eigene überschätzt. Es ist weitaus klüger, ihm Gelegenheit zu geben, sich selbst zu schwächen. Also langfristig denken. Was heißt das für uns? Brandt erst einmal machen lassen. Ihn an der langen Leine herumziehen lassen, bis er sich völlig verausgabt hat. Denken Sie dabei an einen Angler, der einen Fisch an der Leine hat. Was ist das Dümmste, das er tun kann? Versuchen, den Fisch mit einem Ruck aus dem Wasser zu ziehen. Das geht zu 90 Prozent schief. Entweder kommt der Fisch dabei los, oder die Schnur reißt oder sonst etwas. Nein, man muss dem Fisch scheinbar den Willen lassen, bis er sich ganz mattgekämpft hat. Bis er ruiniert ist. Wenn man das erst einmal begriffen hat, kommt es einem ganz selbstverständlich vor. Und das habe ich nicht von Machiavelli, sondern von einem jungen Politikwissenschaftler hier in Rhöndorf.“

 

Erneut blickt er prüfend in die Runde. „Meine Freunde“, sagt er mit kraftvoller Stimme, „die Zeit ist kurz und rinnt rasend schnell dahin, und es muss gearbeitet werden aus ganzer Kraft, damit unsere Partei die erste Partei in der Bundesrepublik bleibt.“ Er breitet die Arme aus. „Ihre Mission, meine Herren, ist es, mit ganzer Kraft diese Aufgabe in die Hand zu nehmen und mit Gottes Hilfe zu erfüllen. Ich fühle mich nicht nur befugt, das zu verlangen, sondern sogar bevollmächtigt.“

 

In diesem Moment scheint die Sonne ins Zimmer und legt einen Strahlenkranz um Adenauers Uraltkanzlerkopf.


***

 
 
 

Aktualisiert: 30. Apr.

Als erster ergreift Groppe das Wort. Er ist als neuer Fraktionschef im Gespräch: Augen von einem scharfen Blau, markante Wangenknochen, kräftiges Kinn, lange, gerade Nase. Ein Pragmatiker. Nach Adenauers Empfinden mit dem Pragmatismus eines Bestattungsunternehmers. Er hält Groppe für überschätzt. Auch seine Eitelkeit, für Adenauer kein Zeichen von Klugheit, berührt ihn unangenehm. Um seine Statur einigermaßen auf Normalmaß zu bringen, trägt Groppe Schuhe mit Absätzen, die sich im Inneren verstecken. Dazu sein unübersehbarer Selbstgenuss beim Reden.

 

Groppe gibt sich befremdet. „Sollen wir annehmen, Herr Bundeskanzler, dass Sie sich entschieden haben, wieder an der Grundsatzdebatte unserer Partei teilzuhaben?“

 

„Meines Wissens habe ich nie damit aufgehört“, entgegnet Adenauer gelassen.

 

„Ich fürchte“, stellt Groppe fest, „ihr hohes Ansehen in der Bevölkerung könnte Schaden nehmen, wenn Sie sich in diese Auseinandersetzungen einbeziehen lassen. Sie haben eine großartige Zeit und einen würdevollen Abgang gehabt. Ihre Verdienste drohen dadurch zu verdunkeln.“ Er nimmt einen tiefen Zug aus seinem Zigarillo, doch anstatt den Qualm gleichmäßig von sich zu geben, entlässt er ihn in drei kurzen Atemstößen, als wolle er nach Indianerart durch Rauchzeichen mit seiner Umgebung kommunizieren. Der Schnelligkeit nach, mit der er sich unter der Zimmerdecke verflüchtigt, muss der Rauch sehr froh sein, aus Groppes Schnüss zu entkommen.

 

„Das sehe ich auch so“, pflichtet ihm Forell bei, den Blick scheu auf Adenauers hervortretende Schläfenader geheftet. „Wir sollten allen Zank und allen Streit, den wir im Herzen tragen, bis nach den Wahlen nächstes Jahr begraben. In der breiten Öffentlichkeit würde das alles nur als ein kleinkarierter innerparteilicher Zwist empfunden werden. Der Gesamteindruck wäre verheerend.“

 

Döbel, immer schon ein treuer Diener seines Herrn, mag das nicht so stehenlassen. „Oh, ich kenne sehr viele Leute in der Fraktion und in der Partei, die ganz dringend eine Orientierung durch den Ehrenvorsitzenden wünschen“, sagt er mit seiner warmen Baritonstimme, die seinem Auftreten immer etwas von der Feierlichkeit eines Predigers verleiht. Eine dünne Krone aschblonden Haars zieht sich um seinen Kopf.

 

Giebel schlägt sich mutig auf die Seite seiner Vorredner Groppe und Forell. „Ich möchte doch darauf hinweisen, dass diese Orientierung zu einer Konfrontation mit Kiesinger und seinen Leuten führen muss und daher beim Parteivorstand kaum Aussicht auf Erfolg haben dürfte.“ Sein schmales Gesicht mit den wässrig-blauen Augen wird von einer spitzen und gut ausgeprägten Nase dominiert, die ohne Zweifel das Zentralorgan seiner Weltwahrnehmung darstellt. „Anders lägen die Dinge“, räumt er gönnerhaft ein, „wenn eine gewisse Harmonisierung zwischen Ihnen, Herr Bundeskanzler, und Ihren parteiinternen Gegnern stattfinden würde. Die Aussichten dafür stehen jedoch, wie Sie selbst am besten wissen, schlecht.“

 

Die vier Getreuen neben ihm halten die Augen gesenkt, die Blicke der andern richten sich auf Adenauer. Doch der sitzt unbeweglich, den Kopf in die große Hand gestützt. Wieder einmal hat er das Gefühl, die Jüngeren verstehen ihn nicht, wollen ihn auch gar nicht verstehen, sondern alles alleine entscheiden, weil sie glauben, es besser machen zu können. Leider mangelt es ihnen an der nötigen Erfahrung. Da hocken sie nun um den Tisch herum wie Schulknaben und heucheln Respekt und sogar Verehrung, wo sie mich in Wirklichkeit doch zum Teufel wünschen, mindestens aber der Politik entzogen, gärtnernd in der Verbannung, wie Bonaparte auf St. Helena. Wir erwarten deine Befehle, großer Gebieter des Grüns, Herrscher der Hyazinthen, Imperator des Ilex.

 

„Es tut mir außerordentlich leid, ihnen widersprechen zu müssen“, sagt Adenauer nach einigen Sekunden ominösen Schweigens, den Blick in eine unbekannte Ferne gerichtet. „Sie, Herr Groppe, und auch Sie, Herr Giebel, sind anscheinend der Meinung, dass man sich wehrlos ergeben soll solchen Tendenzen, weil die Aussicht, zu obsiegen, nicht sicher ist. Die von einigen Leuten in der Partei angestrebte Neuausrichtung bedeutet eine Kursänderung um 180 Grad. In einer solchen Situation, in der man an die Kinder und Kindeskinder und deren Schicksal denken muss, kann man die Erfolgsfrage nicht so im Vordergrund sehen. Für manche Dinge muss man rückhaltlos einstehen, koste es, was es wolle.“

 

Forell und Giebel schnauben nervös, Peitzger schraubt die Kappe seines Füllfederhalters ab und wieder auf, Bitterling schiebt Kuchenkrümel auf der Tischdecke zusammen, Döbel hüstelt in die geballte Faust. Groppe trägt ein maskenhaftes Grinsen zur Schau und vertieft sich dabei in das ihm gegenüber hängende Porträt einer Dame aus der Rembrandtzeit, die ihren Reichtum ohne Reue zeigt; nichts als Samt und Seide, Taft und Brokat. Feiste kurze Hände, die die aus Ärmelpuffen ragen, spitze Finger, die in Schoßhöhe mit der schweren goldenen Leibkette spielen; das teigig fleischige Gesicht mit dem berechnenden Lächeln eingerahmt von einem mühlradgroßen, in Rüschen gezogenen weißen Kragen und einer gefälteten Haube aus gestärktem weißen Leinen, die den Blick starr geradeaus lenkt. Umschau unmöglich. Nicht sehen wollen, was um einen herum vorgeht. Bestimmt eine Urahnin vom Alten.

 

Schmerl beschließt, ein neues Argument einzubringen. „Herr Bundeskanzler!“, hebt er pathetisch an. „Auch aus einem anderen Grund möchte ich Ihnen, mit allem Respekt, davon abraten, sich weiter programmatisch in der Parteiführung zu betätigen. Ich bin der Ansicht, dass das begonnene Memoirenwerk Ihre ganze Aufmerksamkeit erfordert. Sich beides zuzumuten, geht über Ihre physische Kraft.“

 

Adenauer schenkt ihm ein sarkastisches Lächeln. „Vielen Dank, Herr Dr. Schmerl, dass Sie so um meine Gesundheit besorgt sind. Ich darf Ihnen aber verraten, dass die Arbeiten am vierten Band so gut wie abgeschlossen sind. Wenn ich richtig informiert bin, nimmt der Verlag bereits Vorbestellungen an.“

 
 
 

Vorsichtiges zustimmendes Nicken von allen Seiten. Groppes Lungen dürsten nach Nikotin. Mit aufgestützten Ellenbogen wickelt er ein Zigarillo aus knisterndem Zellophan. Er weiß, dass er schöne Hände hat, langfingrig und fein geformt, und stellt sie daher gern zur Schau. Sein Mund formt sich zu einer Höhle und empfängt die Rauchware, die er stilvoll mit einem goldenen Feuerzeug in Brand setzt. Für Adenauer weisen die fest zusammengepressten Lippen Ähnlichkeit mit Picassos Rosette auf.

 

„Die jungen Menschen wachsen heute in einer Welt auf, die sich ständig verändert, die rastlos und ruhelos ist. Und dadurch findet auch ihr eigenes Leben in ständiger Unruhe und ständiger Rastlosigkeit statt. Wir müssen aufpassen, dass sie trotzdem noch über gesunde Vorstellungen und Ideale verfügen. Es darf sich nicht alles nur ums Geldverdienen drehen. Sonst bringt sie die Gier schneller an den Haken, als sie denken. Schnappen beseligt nach dem Köder und sind im nächsten Moment schon die Beute eines noch Gierigeren.“

 

Die bildhafte Sprache, mit der Adenauer seine ethischen Grundsätze plausibel zu machen sucht, verwirrt seine Zuhörer aufs Neue; bei dem einen oder andern lösen die Metaphern sogar Schwindelgefühle aus. Zwar ist es keineswegs unmöglich, seinen Ausführungen zu folgen, doch scheint er damit eine tiefere Bedeutung zu verbinden, die außerhalb ihres Verständnisses liegt.

 

„Und nun können sie sich fragen“, spinnt Adenauer den Gedanken unbeirrt weiter, „warum erzähle ich ihnen das? Weil es natürlich auch in unserer Partei einander widerstrebende Interessen gibt. Das ist wegen der Verschiedenartigkeit der einzelnen Gruppen, die bei uns sind, unvermeidlich. Aber diese einander widerstrebenden materiellen Interessen müssen vereinigt werden durch eine gemeinsame ethische Grundlage. Und diese Grundlage muss bleiben die christliche Überzeugung. Die Wirtschaft kann nicht diese ethische Grundlage ersetzen. Wenn wir diese Grundlage verlassen und einfach eine Wirtschaftspartei werden, dann sage ich ihnen, bricht unsere Partei auseinander.“

 

 „Also daher weht der Wind“, raunt Forell, ohne den Kopf zu bewegen, seinem Nachbarn Giebel zu, was dieser mit einem mürrischen Grinsen quittiert. Der Alte, so kommt es ihm vor, scheint nicht mehr von dieser Welt. Eine Art Geistwesen, das auf seiner irdischen Existenz beharrt. Ein Streichholz auf der Suche nach einer Reibefläche. Ein abgebranntes Streichholz.

 

„Materialismus oder Christentum?“, tönt es mahnend aus Adenauers Mund. „Wem fällt die Welt von morgen zu?“

 

Salmen gähnt hinter vorgehaltener Hand. Salvelinus macht erneut Anstalten, zu antworten, wird aber von einer Handbewegung des Redners gestoppt.

 

„Die Frage“, stellt Adenauer klar, „war rhetorisch. Es wird keinen Frieden, keine Ruhe, keine Freude geben, wenn wir nicht zurückfinden zu den ewigen, unvergänglichen Gütern, auf denen allein das Glück der Menschen aufgerichtet werden kann. Das Recht des Individuums. Die Würde des Menschen. Die Idee der Gerechtigkeit. Der Sinn für das Maß. Und das sage ich nicht als der Privatmann Adenauer, sondern als einer der beiden Parteivorsitzenden.“

 

„Wer sagt das?“ flüstert der schwerhörige Esch in Richtung Döbel, seinem Nachbarn zur Rechten, doch der versteckt sein Gesicht hinter der zum Mund geführten Kaffeetasse.

 

Adenauer entgeht nicht, dass sich Unbehaglichkeit unter seinen Gästen breit macht. In beachtlicher Einmütigkeit warten sie darauf, dass er zügig zum Ende kommt. Statt beeindruckt zu sein von dem Eifer, den er an den Tag legt, scheinen sie seine Prinzipientreue mit Altersstarrsinn zu verwechseln. Seine Kampfbereitschaft gilt ihnen offenbar als sicheres Merkmal einer Verfallserscheinung. Sicher lauern sie insgeheim auf Anzeichen greisenhafter Unzurechnungsfähigkeit.

 

„Ich sehe Zweifel in einigen Gesichtern“, sagt er deshalb versöhnlich. „Zweifel an sich ist ja nichts Schlechtes. Wer behauptet, keinen Zweifel zu kennen, der tut so, als wüsste er alles. Und das ist schlichtweg nicht menschenmöglich, wenigstens meinem Dafürhalten nach.“

 

Esch, der dreimal das Wort Zweifel verstanden hat, nickt weise. Erschreckend, wie sehr er gealtert ist. Wangen und Stirn sind mit braunen Flecken und Knoten gesprenkelt, die Brauen zu struppigen Büscheln verformt. Ständig hält er seine ausgemergelten Hände dicht vor das Gesicht und massiert seine arthritischen Fingerknöchel.

 

„Sofern sich ihr Zweifel jedoch bezieht auf meine Person, ist das eine ganz andere Sache. Deshalb, wenn sie sich jetzt fragen, ist er es wirklich, dann sage ich ihnen: Jawohl, ihr Parteivorsitzender, das bin ich. Sie können meinetwegen sagen, der Herr Kiesinger ist der richtige Vorsitzende; Sie, Herr Adenauer, sind bloß die graue Eminenz. Das können Sie halten wie Sie wollen. Sitz und Stimme im Vorstand haben wir beide, mit dem kleinen Unterschied, dass ich eine Stufe höher gestiegen bin auf dem Parteitag im März vorletzten Jahres, auf dem mich die Union gewählt hat zu ihrem Ehrenvorsitzenden. Daraus leite ich mein Mandat ab und die Pflicht, meine Meinung zu sagen in allem, was unsere Partei betrifft.“

 

Salmen und v. Schley reagieren mit nervösem Kichern, was Adenauer nicht zu bemerken scheint. Ein paar Hände heben sich, die zaghaft Protest anmelden wollen. Schmerl, selbst ohne diesbezügliche Ambitionen, macht sich zu ihrem Sprecher: „Herr Bundeskanzler, gestatten Sie Fragen?“

 

„Nur zu“, antwortet Adenauer leichthin.

 
 
 
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