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Autorenbild: Jan-Christoph HauschildJan-Christoph Hauschild

„Guten Tag“, begrüßt Adenauer das Mädchen, das schüchtern mit „Hallo“ antwortet und ihn skeptisch beäugt.

 

Verstehe. Hält mich wahrscheinlich für einen Sittenstrolch. „Die Herren“, erklärt er und zwinkert den beiden zu, „haben mir ein bisschen Nachhilfeunterricht im Angeln erteilt.“

 

„Das ist Herr Mann Josef“, kommt ihm Jakob zu Hilfe. „Er wohnt auch in Rhöndorf. Und in Amerika. Und er hat –“

 

„Und du bist die Kusine Angela“, stoppt Adenauer Jakobs Redefluss. „Ich habe schon gehört, dass du eine besonders gute Schülerin bist. Was sind denn deine Lieblingsfächer?“

 

Das Mädchen schaut verlegen zu Boden. Dann sagt es mit leiser Stimme: „Naja. Also…

 

„Was?“, unterbricht sie Adenauer. „Entschuldige, ich höre ein bisschen schlecht.“

 

„Zum Beispiel… Mathe. Mathematik.“

 

„Und Russisch“, kräht Jakob dazwischen. Als hätte ein heißer Luftstrom ihr Gesicht erhitzt, wechselt die blasse Gesichtsfarbe des Mädchens prompt zu einem kräftigen Rot.

 

„Russisch“, wiederholt Adenauer. „Stimmt das?“

 

„Ja, das stimmt, Herr Mann Josef“, bekräftigt Jakob.

 

„Donnerwetter. Wo gehst du denn zur Schule?“

 

Das Mädchen verschränkt die Arme vor der Brust und haucht eine Antwort, die wie „Berlin“ klingt. Dafür, dass sie vorhin so kräftig gerufen hat, spricht sie jetzt verdammt leise. Zu leise für meine alten Ohren.

 

„So, in Berlin. Und da wird Russisch gelernt?“

 

„Bei uns ist Russisch die erste Fremdsprache“, antwortet das Mädchen. Und zu Andreas sagt sie: „Jetzt müssen wir aber wirklich.“

 

„Verstehe“, sagt Adenauer. „Als Vorsichtsmaßnahme. Um euch herum ist ja überall der Russe. Russisch zu können ist auf keinen Fall verkehrt. Falls die Russen mal an den Rhein kommen, muss es ja Leute geben, die sich mit ihnen verständigen können. Ich habe einen Freund in Frankreich, einen hohen Offizier, der hat auch angefangen, Russisch zu lernen. Aus einem ähnlichen Grund. Akademgorodok und so weiter.

 

„Das heißt akademisches Städtchen“, erklärt das Mädchen.

 

„Ja ja“, fährt Adenauer fort und hebt seinen Gehstock in Augenhöhe. „Hier, der ist übrigens auch echt russisch. Ein Geschenk.“

 

„Schön“, bestätigt das Mädchen.

 

„Aber Herr Mann Josef“, mischt sich Jakob ein. „Das ist doch der Silberstock von Klekih-Petra! Hast du gesagt.“

 

„Ja, das haben Sie gesagt“, bekräftigt Andreas.

 

Adenauer spürt, wie ihm eine leichte Röte ins Gesicht steigt. Verdammt, das habe ich jetzt von meiner Wichtigtuerei.

 

„Das stimmt ja auch“, rechtfertigt er sich so gelassen wie möglich. „Das eine ist das Material, russische Eiche mit Silberbeschlag. Und das andere ist, wer ihn besessen hat. Aus einer Hand ist er in eine andere gelangt. Von hier nach dort, dann dahin, und jetzt hab ich ihn bekommen.

 
 
 

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