„Und wo kommt ihr jetzt her?“ fragt Adenauer. Sein Stock zeigt auf das Netz, das vor ihm auf dem Boden liegt. „Ist die Schmetterlingssaison denn schon eröffnet?“
„Das ist ein Kescher“, erklärt Andreas.
„Ein was? Ich höre ein bisschen schlecht.“
„Ein Kescher. Damit zieht man Fische an Land.“
„Mit einem Schmetterlingsnetz?“ sagt Adenauer und lächelt spitzbübisch. „Ich dachte, Fische werden geangelt. Oder harpuniert. Habt ihr denn keine Harpune?“
„Harpuuune“, wiederholt Jakob, verdreht über so viel Unkenntnis die Augen und wackelt wild mit dem Kopf. „Harpune nimmt man nur bei Walfischen!“ Er hält die Hand flach vor die Stirn, als würde er weit in die Ferne schauen. „Wal voraus Steuerbord!“ schreit er und hüpft von einem Bein aufs andere. „Harpunen fertigmachen!“
„Pass nur auf, dass du nicht ins Wasser fällst!“, sagt Adenauer und zielt mit dem Stock auf ihn, bevor er sich wieder Andreas zuwendet. „Also Angler seid ihr. Dann wart ihr am Rhein. Und wo habt ihr eure Angeln?“
„Hier“, sagt Andreas und zeigt auf seinen Rucksack, in dem, wie Adenauer jetzt erkennt, drei Bambusstäbe stecken.
„Ach so. Die sind zerlegt.“
„Es ist nur eine. Sie wird zusammengesteckt, dann ist sie fast drei Meter lang. Wollen Sie mal sehen?“
„Ich kann es mir vorstellen. Und das andere Gedöns, die Leine –“
„Sie meinen die Schnur.“
„Meinetwegen die Schnur, mit dem Pfropfen –
„Schwimmer!“
„Und dem Haken dran?“
„Alles hier drin.“ Andreas hebt zweimal die Schultern, der Rucksack macht die Bewegung mit und lässt aus seinem Inneren ein klapperndes Geräusch hören.
„Und was habt ihr heute gefangen? Karpfen?“
„Nix“, sagt Jakob und dreht beide Handflächen nach oben. „Gar nix.“
„Nicht mal ein Moderlieschen hat angebissen“, sagt Andreas. „Außer uns waren noch ein paar andere Angler da. Fünf oder so. Die haben auch nichts gefangen. Einer meinte, das läge am Ostwind.“
„Wind aus dem Osten ist immer schlecht. – Wo ist denn eure Angelstelle?“
„An den Buhnen“, sagt Andreas. „Richtung Honnef.“
„Vielleicht solltet ihr es mal Richtung Königswinter versuchen“, schlägt Adenauer vor.
„Das hab ich auch gesagt, Hermann Josef“, ruft Jakob. „Aber der da“ – er zeigt mit dem Finger auf seinen Bruder – „wollte nicht auf mich hören. Dabei bin ich sein Angel-Glücksbringer. Das hat Mama gesagt.“
„Normalerweise“, verteidigt sich Andreas, „gibt es da immer Zander. Sogar Hechte! Im Sommer hab ich an einem Tag schon mal zehn Pfund Barsche gefangen. Heute hatten wir eben Pech.“
„Werft das Netz – Unsinn, ich meine natürlich die Angel – auf der rechten Seite aus, und ihr werdet etwas fangen“, sagt Adenauer bestimmt und stößt den Gehstock kräftig vor sich in den Boden. „Wenn wir uns das nächste Mal treffen, könnt ihr mir berichten, ob es geklappt hat. Und jetzt gehen wir wieder unserer Wege. Ihr geht nach Hause und ich gehe auch nach Hause.“
„Wo wohnst du, Hermann Josef?“ will Jakob wissen und schlingt in geschwisterlicher Kameraderie den Arm um seinen Bruder.
„Das fragt man nicht“, weist Andreas ihn zurecht.
„Lass nur“, sagt Adenauer und zeigt mit dem Stock in Richtung Löwenburg. „Da die Straße hoch.“
„Im Wald?“
„Nein, davor. Hinter der Kirche links die Straße rein“.
„Dürfen wir dich da mal besuchen und deine Indianersachen angucken?“
„Jakob!“ stöhnt Andreas.
„Die sind doch in Amerika“, sagt Adenauer.
„Stimmt“, sagt Jakob enttäuscht. „Weil sie zu groß für das Flugzeug sind.“
„Das war heute bestimmt nicht unsere letzte Begegnung“ sagt Adenauer. „Also auf Wiedersehen, ihr beiden“. Automatisch lüftet er seinen Hut, dreht sich um und macht sich auf den Weg.
Comments